Winterwonderland…

Es war ein trüber Dezembertag und dennoch war ich guter Dinge. Immerhin wollte ich an diesem Tag zu meinen Eltern nach Griechenland fliegen, am 22. Dezember 2011. Meine Eltern würden mich am Flughafen von Thessaloniki abholen, für den Abend war zwar schlechtes Wetter angesagt, aber ich sollte ja schon um 13 Uhr dort sein. Am Abend sah ich mich schon zuhause auf der Couch vor dem Kamin sitzen, herumscherzen und meinen Eltern liebe Grüße von Freunden und Bekannten ausrichten. Mein Nachbar brachte mich um halb acht zum Dortmunder Flughafen, nahm auch meinen Briefkastenschlüssel entgegen und wir plauderten im Auto über unser Lieblingsthema, Männer und Frauen und unsere liebe Last, die wir mit ihnen hatten.

Am Schalter war eine lange Schlange, wie immer eigentlich bei Easyjet. Aber ich hatte ja Urlaub und Zeit. Was machten da schon ein Paar Minuten zusätzlich am Schalter. Irgendwann kam ich an die Reihe. Weil das Flugzeug besonders voll war, bot man uns an, auch Handgepäck kostenfrei aufgeben zu können. Ich holte eine klitzekleine Handtasche aus meinem Handgepäck und war froh, nur das notwendigste ins Flugzeug mitnehmen zu müssen.

Ich guckte kurz durch den Duty-Free-Bereich, kaufte aber nichts, weil ich ja auch keine Tasche gehabt hätte und mit einer Tüte hätte herumlaufen müssen. Dann rief ich meine Eltern noch einmal aus dem Wartebereich an, sie wollten um elf losfahren und wären dann sicher um eins vor Ort. Ich riet ihnen, etwas später loszufahren, da ich ja nicht direkt um eins mit Koffern draußen sein würde.

Mit einer kleinen Verspätung begann das Boarding gegen neun Uhr in der Früh. Das Flugzeug war vor allem voller Griechen, die die Weihnachtsfeiertage in der Heimat verbringen wollten. Ich saß neben einer Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien, die zum ersten Mal Weihnachten in die Heimat flog und am Flughafen vom Schwager erwartet wurde, sie hatten noch eine längere Fahrt vor sich. Ich unterhielt mich mit Mutter und Tochter. Die Zeit verging, es wurde ein Imbiss angeboten, aber wieso sollte ich mir ein schäbiges drei-Euro-Sandwich im Flugzeug antun, wo ich doch gleich mit meinen Eltern was feines unterwegs essen gehen würde. Ich verzichtete und freute mich auf Griechenland.

Ich plauderte weiter und schaute mir die Passagiere an. Vor uns saß eine Familie aus dem äußersten Osten Griechenlands, offensichtlich türkischstämmig. Die beiden Mädchen sprachen gutes Deutsch und türkisch und die beiden taubstummen Eltern schlugen sich mit lautlosem „Sprechen“ und Gebärdensprache herum, die ihre Töchter übersetzten. Kommunikation ist wirklich eine Kunst. Immerhin „sprach“ der Vater sowohl türkisch als auch griechisch und es klappte irgendwie.

Die Crew war nett und freundlich und sprach natürlich weder Deutsch noch Griechisch, wozu auch, wenn man zwischen Deutschland und Griechenland flog, wozu sollte man auch nur eine der entsprechenden Sprachen sprechen? Die Kommunikation zwischen Crew und Passagieren beschränkte sich ohnehin auf: „“Coffee?““ Ein Nicken und „“With milk and sugar?““ “ „Nur Zucker!““ Zum Glück sind diese Worte recht ähnlich, und wenn die Dame mit der Mülltüte herumläuft gibt man ihr halt den Müll, auch wenn man nicht weiß was „„Any rubbish?““ bedeutet.

Kurz vor 13 Uhr Ortszeit wurde es Zeit für unseren Landeanflug. Wir tauchten langsam ab, kamen den dunklen Wolken näher, tauchten ein, es schaukelte ein wenig, das Fahrwerk wurde ausgefahren, es wurde ungemütlicher da draußen, und plötzlich, zog der Pilot die Maschine wieder hoch. OK, dachte ich, das hatte ich schon einmal erlebt, wir drehen wohl noch eine Runde und versuchen es erneut. Es dauerte eine Weile, bis die erste Durchsage kam. Der Copilot meldete sich und sagte, dass wir aufgrund des Wetters den Landeanflug abbrechen mussten und dass man uns informieren würde, wie es weiter gehen sollte. Dies sei nicht weiter ungewöhnlich. Die wenigen Passagiere, die den Copiloten verstanden hatten, übersetzten in alle verfügbare Sprachen und wir warteten auf weitere Informationen.

Zehn Minuten später meldete sich der Pilot und teilte uns mit, dass wir Athen anfliegen, weil wir in Saloniki nicht landen konnten. Wir übersetzten eifrig und die Passagiere fingen an, sich zu fragen, wie es nun wohl weitergehen würde. Der Pilot versprach, uns zu informieren, sobald er selbst mehr wisse. Wir näherten uns Athen und landeten ohne weitere Zwischenfälle.

14:00 Ortszeit

Am Boden angekommen, teilte man uns mit, dass man nun erst einmal mit Easyjet telefonieren müsse, da das weitere Vorgehen von dort aus entschieden werde. Die Passagiere wurden langsam ungeduldig und nach einer endlos scheinenden Zeit, kam die Durchsage, dass wir jetzt auf die Feuerwehr warteten, die anwesend sein müsse, wenn das Flugzeug voller Passagiere betankt werde. Danach würde man wieder nach Thessaloniki zurückfliegen und es noch einmal versuchen, sollte dies nicht gelingen, würden wir nach Athen zurückkehren. Unter den Passagieren machte sich nun Unsicherheit breit, einige wollten unbedingt dort direkt das Flugzeug verlassen, andere wiederum endlich ausführlich informiert werden. Irgendwann kam dann ein griechischer Fluglotse und erzählte dies alles noch einmal auf Griechisch. Außerdem erklärte man uns, dass die Passagiere gern auch direkt den Flieger verlassen könnten, dann aber keinerlei Ansprüche auf Entschädigung hätten und dass diese Fluggäste bitte ihre Gepäckabschnitte bereithalten sollten, damit ihr Gepäck direkt herausgesucht werden könnte.

Nachdem dann alles Gepäck der aussteigenden herausgesucht worden sei, sollte dann die Reise für die übrigen Reisenden in Richtung Saloniki fortgesetzt werden. Wir fluchten und ärgerten uns über die Aussteigenden, die ja nun unsere Reise verzögerten. Ich informierte meine Eltern per Telefon und riet ihnen direkt nach Hause zu fahren. Sie wollten noch den nächsten Versuch abwarten und in der Zwischenzeit ein wenig einkaufen fahren. Ikea erschien sinnvoller, als am Flughafen zu warten. Nachdem die aussteigewilligen Passagiere ausgestiegen waren, begann noch eine recht alberne Sicherheitsprozedur, bei dem die verbliebenen Fluggäste das Handgepäck in den Fächern identifizieren mussten. Sehr amüsant war ein älterer Herr, der seine Tasche nicht erkannte. Erst nach mehrmaligem Nachfragen und diversen Versuchen, das Namensschildchen zu entziffern, konnte auch diese schwarze Tasche zugeordnet werden. Um ein Haar hätten wir sie in Athen ausgeladen.

Eine gute Stunde, nachdem wir in Athen gelandet waren, starteten wir also wieder in Richtung Saloniki. Alle Passagiere waren sehr angespannt und hofften nun auf besseres Wetter. Man hatte uns erklärt, dass das Wetter bei unserem ersten Versuch nicht gut gewesen sei und dass es nun etwas besser werden sollte. Wir hofften. Es war mucksmäuschenstill in der Kabine, als wir gegen 16 Uhr zum zweiten Landeanflug ansetzten, es schien ebenso ungemütlich, wie vorhin, und tatsächlich zog der Pilot wieder hoch, es kam die Durchsage, dass wir es noch einmal versuchen würden. Wir kreisten noch ein Paar Minuten und versuchten es ein drittes Mal. Wir kamen etwas weiter als beim zweiten Mal, soweit ich es beurteilen kann, aber auch dieses Mal zog der Pilot die Maschine wieder hoch. In der Kabine blieb es still. Wir wussten nun, dass wir uns auf eine wirkliche Verspätung einstellen mussten.

Kurz vor Athen erklärte man uns, dass man uns noch nicht sagen könne, wie es weitergehen würde. Easyjet würde uns aber irgendwie nach Saloniki bringen, näheres nach der Landung. Beim Landeanflug fiel auf, dass sich nun auch hier das Wetter erheblich verschlechtert hatte. Trotz dieser schlechteren Wetterlage, landeten wir ohne weitere Probleme. Alle waren froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Mit weichender Anspannung stieg nun aber die Ungeduld und die Ratlosigkeit. Wie sollte es weitergehen. Wir verließen das Flugzeug und erfuhren per Durchsage, dass wir unser Gepäck an Band 4 abholen könnten und anschließend am Schalter von Easyjet weiteres erfahren würden.

Ich nutzte die Wartezeit, um endlich das WC aufzusuchen, ich gestehe, ich habe keinen Versuch unternommen, auf das WC im Flugzeug zu gehen. Allmählich bekam ich auch Hunger. Leider ist in dem Gepäckbereich kein einziger Laden, und ich musste schmunzeln. Ich fühlte mich, wie Jack Lemmon in dem Film „“Nie wieder New York““ der auch das Essen im Flugzeug verschmähte, weil er ja schließlich einen Tisch reserviert hatte, und mit seiner Frau essen gehen wollte. Nun, ich hatte nicht mal gefrühstückt und hatte außer Salbeibonbons nichts essbares in meiner winzigen Handtasche.

Wir warteten. Ich schickte einige Mitteilungen und telefonierte mit meinen Eltern. Um mich herum fingen die Passagiere an zu revoltieren. Einige planten, das Büro von Easyjet mal so richtig aufzumischen, sobald sie denn ihre Koffer hätten. Andere mutmaßten, dass man uns absichtlich so lange warten ließ, damit sie Zeit hätten, das Büro zu räumen. Andere wiederum hofften, dass man sich nun wenigstens um unser Weiterkommen kümmern würde. Ich für meinen Teil, hatte entschieden, dass dies kein Tag für eine Revolution sei, es war entspannter, sich treiben zu lassen. Irgendwann würde ich schon zuhause ankommen.

Nach fast zwei Stunden Wartezeit kamen nach dem Koffern eines Fluges aus Malta und eines Fluges aus Zürich, endlich unsere Koffer. Ich verteilte ein Paar kleine Schokonikoläuse, die ich in meinem aufgegebenen Handgepäck hatte und folgte der wütenden Meute zum Schalter von Easyjet. Unterwegs kauften meine Mitreisenden alle erdenklichen Sandwichbuden leer, immerhin waren wir seit frühmorgens unterwegs und hatten kaum etwas gegessen. Als ich mein Glück versuchte, gab es in dem Shop nichts mehr, was ich unter normalen Umständen essen würde. Wieder erinnerte ich mich an den Film. Im Zug angekommen ergatterte Jack Lemmon endlich mit seiner Frau einen Platz im Zugrestaurant, wo es nur noch Weißbrot mit Erdnussbutter gab und noch mehr Weißbrot mit Erdnussbutter und warmen Muschelsaft. An den Muschelsaft erinnerte mich mein Bruder in seiner SMS.

Ich schmunzelte und schaute mir die Revoluzzer an. Easyjet bot uns eine Übernachtung im Hotel an und den ersten Flug am nächsten Morgen um sieben. Alternativ sei es den Passagieren freigestellt, auf eigene Faust ihre Reise fortzusetzen und später individuell Schadensersatz von Easyjet einzufordern. Mittlerweile hatten wir einiges an Nachrichten mitbekommen. Es war aufgrund des schlechten Wetters zu einigen schweren Verkehrsunfällen auf der Autobahn nach Norden gekommen. Es war also auch mit einem Mietwagen nicht davon auszugehen, dass man schneller ankommen würde. Immerhin waren es knapp 500 km nach Saloniki und die meisten mussten ja noch weiter. Außerdem ist es in Griechenland eine mittelschwere Katastrophe, wenn man einen Mietwagen in einer Stadt mietet und in einer anderen abgeben will und das lassen sich die Firmen teuer bezahlen.

Wir bildeten zwei Schlangen. Die Hotelschlange wurde mit jeder neuen Wettermeldung größer. Ich entdeckte eine Sandwichbude, die noch Vorräte hatte und holte mir eine Blätterteigtasche, etwas zu Trinken und ein belegtes Baguette. Man weiß ja nicht, wann man wieder was zu essen kriegen würde. Vor dem Terminal wartete bereits ein Bus, in den wir gesittet einsteigen sollten und vorher noch unsere Namen auf einer Liste abhaken lassen mussten. Unnötig zu sagen, dass alles drunter und drüber ging, einschließlich Gepäcksuche, weil einige ihre Koffer schon in den ersten Bus hinein gequetscht hatten, obwohl keine Sitzplätze mehr vorhanden waren. Nun, ein zweiter Bus kam natürlich, füllte sich ebenfalls und nach einer kurzen Überlegung des Busfahrers, sich direkt nach Saloniki entführen zu lassen, weil er selbst schon lang nicht mehr dort war, entschied er aber aufgrund der Wetterlage und weil er doch in der gegenwärtigen Wirtschaftslage an seinem Job hing, dennoch ins Hotel zu fahren. Ich aß meine Blätterteigtasche genüsslich im Bus und trank einen Saft.

Ein älterer Herr, der mir im Flugzeug schon gegenüber gesessen hat, amüsierte sich mit mir darüber, dass wir Griechen, wir Krönung der Schöpfung, mit dem größten Maul aller Zeiten, ja doch offenbar nicht einmal in der Lage waren, gesittet in einen Bus einzusteigen. Immer wieder wurden Stimmen laut, dass der Pilot ja wohl offenbar zu unerfahren gewesen sei, dass ein griechischer Pilot uns mit Sicherheit direkt ans Ziel gebracht hätte. Wir schauten uns an, schüttelten den Kopf und freuten uns, festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich persönlich habe recht großes Vertrauen in den Überlebenswillen der Piloten und in den Willen, sich nie mehr Arbeit zu machen, als nötig ist. Er stimmte zu.

Gegen 21 Uhr kamen wir im Hotel an. Ein offenbar recht bekanntes Wellness-Hotel namens „Mare Nostrum“. Wir fuhren etwa 35 Minuten vom Flughafen dorthin. In der Lobby stellten wir fest, dass außer uns noch zwei weitere Flüge dort gestrandet waren. Ein weiterer Easyjet-Flug aus Berlin, sowie ein Flug der Aegean aus Frankfurt. Alles in allem tummelten sich ca. 300 Personen in dieser Lobby und füllten Zettel aus. Man schickte unsere Busladung erst einmal ins Restaurant. Immerhin gab es ein recht ordentliches Buffet und die Revoluzzer wurden langsam satt und müde.
Nach dem Essen stand ich mir nun auch die Beine in den Bauch, in der Hoffnung, endlich meinen ausgefüllten Zimmerwunsch an der Rezeption loszuwerden. Gegen 23 Uhr erfuhren wir, dass unser Flug morgen um 4:30 Uhr im Hotel abgeholt werden würde. Das bedeutete 3:30 Uhr Weckruf, 4:00 Uhr Frühstück. Das Hotel hatte zwar genug Zimmer, die meisten mussten aber noch hergerichtet werden.

Sei es drum, ich bekam mein Zimmer um kurz vor 24 Uhr, nach einem spaßigen Kampf mit einem Typen, der aus Oslo kam und steif und fest behauptete, dass er doch als erster dort gestanden hätte, niemals könne er zugeben, auch nur zweiter gewesen zu sein. Ein anderer Typ kam aus Thailand und hatte eine noch weitere Reise hinter sich. Meine „Kurzreise“ schien fast lächerlich. Als ich zu meinem Bungalow gebracht werden sollte, die Zimmer im Haus waren wohl schon alle vergeben, kam ein Mädel von ihrem eiskalten Bungalow zurück. Die Klimaanlage und einzige Heizung im Winter, funktionierte offenbar nicht und sie hatte nun entschieden, die Paar Stunden lieber in der Lobby zu verbringen, als frierend auf dem Zimmer. Ich bot ihr an, mit mir das Zimmer zu teilen. Sie willigte ein und erzählte mir, dass sie aus Kanada angereist war, in Frankfurt einige Stunden Aufenthalt hatte, dort noch kurz geduscht hatte, um frisch in Griechenland anzukommen. Wir lachten herzlich, auch über die Tatsache, dass wir beide keine Schlafanzüge dabei hatten, und in Unterwäsche und T-Shirt schliefen. Immerhin fuhren wir beide zu unseren Eltern und hatten dort genug Klamotten rumliegen, wozu also Schlafanzüge mitschleppen. Witzig war auch, dass sie quasi zwei Dörfer weiter musste als ich, nach Iraklitsa, dorthin, wo wir im Sommer gern mal Essen gehen.

Wir erklärten der Rezeption, dass unser Zimmer ein Sonderfall sei und dass wir bitte beide Weckrufe bräuchten, den für den Flug aus Dortmund und den für den Flug aus Frankfurt. Ich duschte kurz und fiel direkt ins Bett. Die Nacht war kurz, der Weckruf kam, wie versprochen, um hab vier. Ich zog mich an, packte meine Sachen und verabschiedete mich von der netten Griechin aus Kanada, nicht ohne ihr mein Kärtchen dazulassen, für den Fall, dass sie in der kurzen Woche in Griechenland Zeit für einen Kaffee mit einer alten Bekannten haben sollte.

Im Restaurant saßen wieder die selben Leute, unwesentlich erholt in dieser kurzen Nacht. Ich ließ mir erzählen, dass wir wohl einen tollen Meerblick gehabt hatten, den ich allerdings nicht wahrnahm, da ich direkt ins Bett fiel. Der Bus fuhr pünktlich um halb fünf. Am frühen Morgen dauerte es auch kaum 25 Minuten bis zum Flughafen. Wir checkten ein. Im Wartebereich sahen wir „unsere“ Crew an uns vorbei laufen.

Während ich auf das Boarding wartete, saß dort auch eine Familie, Vater, Mutter und zwei Kinder. Die Mama hatte ein iPad vor sich und las den Kindern Märchen vor. Die Kinder lauschten und ich schwelgte in Erinnerungen. Dies war nicht meine erste lange Reise nach Griechenland. An die erste strapaziöse Flugreise erinnere ich mich nur schemenhaft, es ist eher eine Reihe von Bildern und einige Erzählungen meiner Eltern, die in meiner Erinnerung existieren. Es war nach dem Sturz der Militärdiktatur in Griechenland 1974. Meine Eltern waren mit mir aufgebrochen, um das erste Mal gemeinsam nach Griechenland zu fliegen. Mein Vater hatte während der Diktatur gewisse Probleme gehabt, nach Griechenland einzureisen, zumal man ihm den Pass weggenommen hatte. Damals waren wir in einen Streik um Kerosinsteuern geraten und hatten für diese Reise drei Tage gebraucht. Wir waren in Düsseldorf gestartet und landeten nach diversen Unterbrechungen in Frankfurt, Wien und Athen dann am Morgen des dritten Tages tatsächlich in Saloniki. Wie ich aus den Erzählungen meiner Eltern weiß, habe ich, nachdem der Märchenvorrat meiner Eltern erschöpft war, alle potenziellen Omas und Opas, gebeten, mir welche zu erzählen. Ich bin wohl schon immer ein kommunikativer Mensch gewesen.

Der Aufruf zum Boarding holte mich aus meinen Erinnerungen. Wir stiegen wieder in „unser“ Flugzeug, wo „unsere“ Crew uns erwartete. Ein Flugbegleiter erzählte mir, dass man ihnen ursprünglich versprochen hatte, sie direkt nach London zurückfliegen zu lassen. Offenbar war dann aber in der Nacht entschieden worden, dass sie erst noch uns nach Saloniki fliegen, von dort die Fluggäste von gestern nach Dortmund und dann erst London anfliegen würden. Er war sichtlich genervt, konnte aber auch nichts daran ändern.

Der Flug verlief ohne weitere Zwischenfälle und wir landeten relativ pünktlich in Saloniki. Ich habe noch nie einen so frenetischen Applaus bei der Landung erlebt. Uns fielen tonnenweise Steine vom Herzen. Der Pilot und die Crew bedankten sich mehrfach für unsere Geduld und unser Verständnis. Die Passagiere waren gerührt und glücklich, endlich dort angekommen zu sein, wo sie eigentlich schon gestern sein wollten. Die Koffer kamen schnell und ich machte mich auf meinen Weg.
Ich musste nun erstmal mit dem Flughafenbus durch die Stadt zum Busbahnhof. Auch in diesem Bus saßen wir noch zusammen, wir Globetrotter, wir Wetter-Opfer. In der einstündigen Fahrt durch die Stadt sahen wir die verschneiten Hügel ringsum und erzählten allen die es hören wollten, und ich fürchte, auch allen anderen, von unserer Reise mit Hindernissen. Ich hatte Glück und erwischte noch den Bus um 10 Uhr und konnte nun meinen Eltern mitteilen, dass sie mich gegen 12 Uhr in einer nahe gelegenen Kleinstadt abholen konnten. Ich schlief fast die ganze Fahrt. Meine Mutter holte mich ab und wir fuhren direkt zu meiner Oma, die in der Nähe wohnt. Irgendwann gegen 14 Uhr erreichte ich dann endlich das Haus meiner Eltern.

Ich war fast 31 Stunden unterwegs gewesen. Mein Auftraggeber, den ich unterwegs anrief, meinte dazu nur, dass ich ja wohl auch direkt mit dem Auto hätte fahren können, wo er Recht hat… Das waren damals auch die Worte meines Vaters, als er nach drei Tagen in Saloniki ankam. „Wir hätten auch mit unserem VW-Käfer fahren können.“ So schließt sich der Kreis.